Die Tücken der Vermögensabtretungen
Das Thema "Vermögensabtretungen zu Lebzeiten an die Kinder" ist ein Dauerbrenner. Es ist geprägt von vielen Mythen und gefährlichem Halbwissen, vor allem in Bezug auf erbrechtliche Folgen bei den Ergänzungsleistungen und der Unterstützungspflicht durch Verwandte. Am 26. Oktober 2023 haben Dr. iur. Rudolf Kunz, Fachanwalt SAV Erbrecht, Sebastian Schindler von der SVA Graubünden und Carla Cathomas-Tuor, dipl. Sozialarbeiterin FH von der Pro Senectute Graubünden einem interessierten Fachpublikum aus den Bereichen Recht und Treuhand im Rahmen der Netzwerkveranstaltung "Forum 4" der Graubündner Kantonalbank aufzeigen können, welche Faktoren bei häufig weitreichenden Entscheiden in Bezug auf Vermögenshingaben zu beachten sind.
Das Erbschaftsvolumen in der Schweiz betrug 2022 CHF 88 Milliarden pro Jahr. Dabei waren 90 % der Erben über 60 Jahre alt. Dr. iur. Rudolf Kunz wies in seinen Ausführungen darauf hin, dass eine Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft für die Abtretenden im Alter weitreichende finanzielle Folgen haben kann, beipielsweise wenn es zu einem längeren teuren Pflegeheimaufenthalt kommt. Unter Beachtung der ehelichen Unterhaltspflicht können dabei auch die Ehegatten bis zum Existenzminimum verpflichtet werden, entsprechende Unterstützung zu leisten. Auch die Kinder müssen bei sehr guten finanziellen Verhältnissen ihre Eltern unterstützen. Zusätzlich ist im Konkursfall ein Rückgriff auf Vermögen möglich, welches die Kinder relativ kurz vor dem Pflegeheimaufenthalt als Vorempfang erhalten haben. Beim Tod des Erblassers gehen die hinterlassenen Pflegeschulden in dessen Nachlass, so dass die Erben hierfür haften, sofern sie nicht die Erbschaft ausschlagen. Bei Vorbezügen/Vorempfängen innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tod kann es für die Erben trotz Ausschlagung der Erbschaft für mindestens einen Teil der Nachlassschulden zu einer Haftung kommen.
Im Bereich der Ergänzungsleistungen zur AHV/IV (EL) gilt es bei Vermögensübertragungen an die Nachkommen mehrere Punkte zu beachten. Ein EL-Anspruch ist nur mit einem Vermögen von unter CHF 100 000.– für Alleinstehende bzw. CHF 200 000.– für Verheiratete möglich. Dabei werden selbstbewohnte Liegenschaften und die dazugehörenden Hypotheken nicht berücksichtigt, jedoch Vermögenswerte, auf welche verzichtet wurde, beispielsweise infolge einer Schenkung oder Abtretung auf künftige Erbschaft. Kommt es bei einer Unterschreitung dieser Vermögensgrenze danach zu einer EL-Berechnung, werden Personen mit selbstbewohnten Liegenschaften bei den EL weiter bevorteilt, indem beim Vermögen der gegenüber dem Verkehrswert vorteilhaftere tiefere Steuerwert der Liegenschaft berücksichtigt wird. Überdies wird davon ein zusätzlicher Freibetrag von CHF 112 500.– und bei einer Pflegebedürftigkeit sogar von CHF 300 000.– abgezogen. Wird diese Liegenschaft hingegen als Vorempfang oder als Schenkung abgetreten, entfallen diese Vorteile und es wird bei der Prüfung, ob auf Vermögen verzichtet wurde, der zum Zeitpunkt der Abtretung höhere Verkehrswert der Liegenschaft herangezogen. Zwar werden von diesem Betrag noch allenfalls von den neuen Eigentümern übernommene Schulden und bei einem Wohn- oder Nutzniessungsrecht der entsprechende Kapitalwert in Abzug gebracht, trotzdem bleibt häufig ein Restbetrag stehen, welcher (vermindert um CHF 10 000.– pro Jahr) in der aktuellen EL-Berechnung als Verzichtsvermögen berücksichtigt wird. Schliesslich sind seit 2021 bezogene EL spätestens nach dem Tod des zweitversterbenden Ehegatten zurückzuzahlen, soweit ein Nachlass von über CHF 40 000.– verbleibt. All dies, so die Ausführungen von Sebastian Schindler von der SVA Graubünden, gilt es mit dem aktuell gültigen Recht bei einer Vermögensübertragung im Auge zu behalten. Bei einer solch weitreichenden Entscheidung gilt es jedoch immer zu beachten, dass sich die Rechtsgrundlagen über einen längeren Zeitraum gewöhnlich ändern und somit eine heutige Entscheidung bei einem späteren EL-Antrag zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht absehbare Folgen haben kann.
Entsprechend der für die betroffenen Personen hohen Komplexität ist die Pro Senectute in ihren Beratungen täglich mit diesen Themen konfrontiert. Wie Carla Cathomas von der Pro Senectute Graubünden aufzeigte, geht es dabei häufig auch darum, was passiert, wenn Vermögenswerte ausserhalb der Norm verprasst wurden und es deshalb bei den EL zu einer Anrechnung eines Vermögensverzichts infolge übermässigen Vermögensverbrauchs kommt. Die betroffenen Personen haben folglich zu wenig Geld zum Leben und Fragen zur Pflicht zur Verwandtenunterstützung kommen auch in solchen Fällen auf.
Nebst den an dieser Veranstaltung beleuchteten Aspekten gilt es weitere Punkte zu beachten, wie beispielsweise steuerrechtliche Folgen oder soziale Abhängigkeiten, wenn eine Liegenschaft mit einem Nutzniessungs- oder Wohnrecht belastet wird. So bleibt es schwierig abzuschätzen, ob eine frühzeitige Vermögensübertragung Sinn macht und ist im Einzelfall unter Beachtung sämtlicher Blickwinkel mit Hilfe von Fachleuten sorgfältig zu prüfen.